Nach etwas zu greifen, welches Oma in der Hand hält kann böse Folgen haben. Dass meine Oma gern auch mal haut ist mittlerweile bekannt. Na ja was Hauen eben so ist. Sie tatzt gern. So jedenfalls nennen wir es. Es kommt nun jedoch weit weniger vor. Meine Oma hat nun einen Ausschlag an den Ellenbeugen. Sie war beim Arzt und nun muss da 2 Mal täglich eine besondere Fettcreme drauf. Ist an sich nichts was Oma nicht selbst könnte. So erlagen wir der Vorstellung ihr diese Creme zu überlassen und sie selbst wollte sich eincremen. Gestern bekam sie die Creme ausgehändigt. Alles soweit ok.
Heute Morgen fragte ich sie ob sie sich eingecremt habe. Ja das habe sie getan. Gut. Sie hat mal wieder nicht gewusst welcher Wochentag ist und sie saß auf dem Sofa. Frühstück hatte sie vergessen – es war nichts gedeckt. Ist für Dienstags auch vollkommen richtig, da ja Tagesbetreuung ist. Sie dachte jedoch es sei Montag. Essen hatte sie einfach vergessen. Aber dafür das Wäsche waschen nicht. Um kurz vor 8 Uhr als ich zu ihr ging war gerade die Waschmaschine fertig. Ich öffnete selbige und entnahm ihr ein einzelnen kleines Handtuch. Das war nun schon das dritte Mal dass ich mitbekomme, dass sie eine Maschine wäscht mit nur einem Kleidungsstück oder Handtuch darin.
Oma war dann sehr aufgebracht weil sie die Tage durcheinander brachte und weil ihr Beutel, den sie immer mitnimmt, wieder mal weg war. Sie suchte bis der Pfleger sie abholte.
Als Oma weg war, schaute ich in ihren Kühlschrank. Obwohl ich die Woche 2 Mal den Kühlschrank kontrolliere, schafft sie es immer wieder was an mir vorbei zu schmuggeln. Dieses Mal einen 14 Tage abgelaufenen Wurstsalat. Wo hat sie den vorher gehabt? Ich packte ihr ein paar Lebensmittel hinein und nahm Andere heraus. Danach wunderte ich mich wieso es in ihrer Wohnung so warm war. Ich schaute auf die Therme und oh Wunder zum wiederholten Male durfte ich ihre Heizung ausmachen. Ich weiß nicht wie oft ich das schon machte.
Oma kam dann Nachmittags von der Tagesbetreuung nach hause. Kurz danach gab es wieder neue Sucherei. Die Fettcreme war weg. Oma wollte schon ihre Geldbörse schnappen und neue kaufen. Würde ich das jedes Mal zulassen, wäre sie noch ärmer als arm. Ständig will sie alles was sie verlegt neu kaufen. Stattdessen suchten wir zu dritt. Oma war mal wieder fix und fertig. Das macht dann wieder uns fertig. Meine Ma fand die Creme dann auch. Ich wollte Oma dann die Creme auf die Stelle tun, musste aber aufgrund ihrer Weigerung ihr die Tube geben. Als sie fertig war, bat ich sie mir die Tube zu geben und griff mit der Hand zur Tube. Sie ließ sie los und ihr Kopf schoss vor und biss mich in den Unterarm. Ich zog den Arm zurück und sie fluchte mich plötzlich an, dass ich die Tube ja nur für mich haben wolle aber das sei ihre und sie benutze die. Ich soll die nicht benutzen.
Ich war total perplex und machte dass ich raus kam. Bei mir in der Wohnung verstaute ich die Creme und da erst spürte ich dass die Stelle ein wenig weh tut. Ich atmete einmal tief durch. In dem Zustand konnte und wollte ich sie nicht allein lassen. Ich klingelte bei ihr und sie ließ mich rein. Ich fragte wieso sie in ihrer Geldbörse rumkrame. Sie maulte mich an, dass sie sich nun eine neue Creme kauft, da ich ihre geklaut habe. Ich sagte ihr, dass ich ihr die Creme morgen früh wieder bringe und dann auch abends damit sie sich eincremen kann. Dann muss sie sie nicht suchen. So kommt sie nicht weg und ich selbst will die nicht benutzen. Wozu auch ich habe keinen Ausschlag. Sie erstarrte in ihrer Sucherei und schaute mich an. Sie legte die Geldbörse weg und zeigte mit dem Finger auf mich “Wehe wenn nicht, dann kriegen wir beide Ärger.” Damit war das Thema vom Tisch. Aufs Beißen habe ich sie nicht angesprochen. Ich setzte mich in der Küche auf einen Hocker und atmete einmal durch. Da sah ich wie sie schon wieder zur Geldbörse griff. Ich dachte: Scheiße nicht schon wieder. Aber ich lag falsch. Sie nahm einen 5er heraus und gab ihn mir mit den Worten “Hier ein kleines Osterei für Dich. Kauf Dir was Schönes.” “Danke Oma”, sprach ich und war mal wieder irritiert. Sie fragte ob mein Mann daheim sei, was ich verneinte. Sie wolle ihm auch noch 5 Euro geben. Wir unterhielten uns ein wenig über den heutigen Tag und sie berichtete von der Tagesbetreuung. Plötzlich zog sie einen 10er aus der Geldbörse und gab ihn mir mit den Worten “Hier ein kleines Ostergeschenk für Deinen Mann und Dich.” Nun war sie es die irritiert war, als ich ihr 5 Euro wiedergab und meinte, dass sie mir doch schon gegeben hätte.
Eigentlich falsch reagiert. Ich hätte nur danke sagen sollen und ihr die 5 Euro auf ihr Konto überweisen sollen. So habe ich sie wieder in eine verwirrende Situation gebracht. Aber ich wollte nicht mit den 5 Euro zu viel aus der Tür gehen. Da wäre ich mir schäbig vorgekommen auch wenn ich es ihr zurück überwiesen hätte.
Nun sitze ich hier und bin um ein Osterei und eine Bisswunde reicher. Zuckerbrot und Peitsche.
Ich weiß, dass das nicht meine Oma ist, die da gebissen hat. Ich weiß dass das die Krankheit ist.
Eben kam sie rüber und wollte Kirschen aufkochen. Sie hatte sie bei sich aufgetaut. Sie schwammen im Zuckerwasser. Sie wollte diese bei mir aufkochen. Ich war dann als es langsam warm wurde damit beschäftigt die ungewollte Fleischbeilage raus zu fischen. Also ich mag ja keine Würmer in meinen Kirschen…. Oma wollte dann Puddingpulver von mir. Bekam sie. Sie kochte die Kirschen dann mit dem Pulver auf. Alles gut. Ich tat als wenn ich von ihr kochen lerne und sie war glücklich.
Sie kam dann noch mit einem Foto, welches sie heute bei der Tagesbetreuung überreicht bekommen hatte. An Fasching oder Karneval wie auch immer man es nennen mag, hatten die Senioren dort ein wenig Spaß gehabt. Dabei entstand dieses Foto. Ich finde es niedlich. Oma freut sich total über das Bild.
Ich finde das Foto irgendwie süß. 🙂
Nun stand sie erneut vor der Tür. Ob ich Brot für sie habe. Ich zeigte ihr wo sie das ihre hat. Sie freute sich und dankte. Ich brachte ihr auch noch ihre Tabletten. Ich solle gut auf ihr Hündchen aufpassen. Klar Oma mach ich. Bis zum nächsten Gassigang ist Shira ja bei mir. 🙂
Schon merkwürdig. Leben mit Alzheimer ist wie eine Achterbahnfahrt. Hoch und Tiefs innerhalb von Minuten. Man darf sich einfach nicht zu viele Gedanken darüber machen.
Aber wieso Oma nun ein altes Hörgerät im Ohr hat statt ihrem Neuem, welches sie auch schon seit Herbst hat, das habe ich noch nicht wirklich raus….
Igor Myroshnichenko
Ach, jetzt habe ich endlich deine berühmte Oma gesehen :daumenhoch:
Bine
Ohje. Also Conny, ich lese deine Beiträge ja echt gerne, auch wenn ich mir jedesmal wünsche, dass mir sowas mit meinen Eltern später nicht bevorsteht.
Aber noch mehr bewundere ich deine Energie und Ausdauer. Ich hätte mit Sicherheit schon längst die Kraft und Geduld verloren…
Conny
Ich wünsche mir auch jeden Tag dass mir das mit meiner Ma nie passiert und meine Ma wünscht sich ebenfalls dass es ihr nie selbst so ergeht.
Vermutlich komme ich gut mit der Situation klar weil es für mich eine Erleichterung ist. 2 Jahre vor der Diagnose hatten Oma und ich dauernd Stress. Dauernd gab es Zank. Immer wieder erklärte ich ihr wie sie den Hund zu füttern hat und immer wieder hat sie es anders gemacht. Immer wieder schimpfte sie auf mich und ich ärgerte mich und war verletzt. Heute weiß ich dass sie schon da krank war. Im Nachhinein eine Erleichterung weil die damals auf mich fluchende Oma war schon nicht mehr die Oma die mich eigentlich abgöttisch liebte weil ich die Tochter in ihren Augen bin, die sie selbst nicht geboren hat. Daher kann ich wohl heute damit leichter umgehen weil ich weiß dass sie eben krank ist und das macht es leichter wenn man akzeptiert dass nicht der Mensch so handelt sondern die Krankheit.
Übrigens wollte sie mich heute schon wieder beißen weil ich ihre Einkaufstasche ausräumte und die Lebensmittel in den Kühlschrank stellte. Aber ich konnte meinen Arm in Sicherheit bringen. Sie rief auch nebenbei die Polizei weil sie wohl dachte ich klaue ihre Lebensmittel… Aber die Polizei kam gar nicht erst. Ich nehme an die haben Omas Nummer schon als bekannt deklariert.
Eine Freundin meinte zu mir, mach doch ein Schild an die Tür deiner Oma: Vorsicht bissige Oma. Da musste ich dann doch schmunzeln.