Meine Oma ist seit gestern wieder zurück aus dem Krankenhaus. Sie sah gestern gar nicht gut aus. Sehr klapprig. Müde. K.o.

Wir halfen ihr beim Auspacken und Mama kochte für sie Mittagsessen. Nach dem Mittagsessen bemerkte ich dass sie die Tabletten für abends genommen hatte. Sie ging dann heimlich in die Apotheke und kaufte sich Ibuprofen Tabletten. Gott sei Dank bemerkte Mutti es. Ich nahm ihr die weg. Dabei kam raus dass sie Bauchweh hatte. Sie sah sehr schlecht aus so dass wir den Notarzt riefen. Der Blutdruck war bei 190 daher war es gar nicht so verkehrt. Aber sie ließen sie dann hier. Die Hausärztin gab mir ihre Handynummer für den Notfall. Ich gab Oma dann eine Wärmedecke und ein homöopathisches Mittel. Es wirkt nicht aber hat einen Placebo-Effekt für sie. Damit war sie zufrieden.  Heute Morgen rannte sie dann zu ihrer Hausärztin. Da bekam sie Spritzen. Damit gings dann wieder. Na ja rennen kann sie nun nicht mehr. Eher schleichen.

Dafür hat sie mich heute sehr erschreckt. Sie kam heute kurz zu mir rüber und setzte sich zu mir an den Wohnzimmertisch. Dabei fiel ihr Blick auf ein paar Zeitschriften. Es kam zu folgendem Gespräch:

Oma: Sind das meine Zeitschriften?
Ich: Ja das sind die alten Zeitschriften von Dir, welche Du mir zum Lesen gegeben hast.
O: Sind das die Neuen?
I: Nein das sind die uralten. Die muss ich noch lesen und wegwerfen.
O: Die brauchst Du nicht wegwerfen. Gib mir die nach dem Lesen wieder dann bringe ich die zu meiner Mutter. Die freut sich.
Ich war wie vom Blitz getroffen. Die Mutter meiner Oma ist seit über 30 Jahren tot. Ich selbst habe sie nie kennengelernt. Mein Gesicht war versteinert. Oder hatte ich mich nur verhört? Ich fragte nach.
I: Du bringst die zu Deiner Mutter?
O: Ja Mama freut sich wenn ich die bringe. Haben wir immer so gemacht. Erst les ich die, dann bekommt die Oma Tick Tack und dann bringe ich die zu Mama.
I: Moment, meinst Du meine Mama oder Deine?
O: Meine Mama, Deine hat die Zeitschriften doch schon gelesen.
Ich war total perplex. Meine Oma Tick Tack ist ebenfalls schon seit knapp 20 Jahren tot.
I: Und wo ist Deine Mutter?
Omas Gesicht versteinerte sich und man merkte wie die Erkenntnis sie traf, dass ihre Mutter ja schon lange tot ist. Sie sagte: Ach Gott, das hab ich ja vergessen. Sie lachte und versuchte es zu überspielen. Ich sagte zu ihr, dass das ja mal passieren kann und nicht schlimm sei.

Nachmittags als die Schwester meiner Oma und meine Mutter und ich sowie Oma zusammen saßen, erzählte sie die Geschichte ihrer Schwester. Jedoch erzählte sie meiner Großtante dass ich angeblich gegrinst und gelacht hätte als sie meinte, sie würde die Zeitschriften zu ihrer Mutter bringen. Und sie ordnete das Ganze als “gestern passiert” ein.

Ich bin erschrocken. Das war das erste Anzeichen, dass das zeitliche Wahrnehmen zu bröckeln beginnt.