Es gibt momentan eine Blogparade, die sich mit einem Thema befasst, welches mich schon einige Zeit beschäftigt. “Und was machen Sie so beruflich?“ heißt diese und es geht um das heitere Berufe-Raten.
Warum mich das Thema beschäftigt ist simpel. Ich habe im Endeffekt 2 Möglichkeiten auf die Frage zu antworten und beide sind unbefriedigend.
Variante 1:
Ich bin Rentner.
Grundsätzlich kommt daraufhin der erstaunte Blick. Man beginnt sofort mein Alter abzuschätzen und die zu 90% herausspringende Erwiderung lautet “Aber sind Sie nicht noch etwas jung für die Rente?”
Manchmal kommt auch ein “Oh das tut mir leid.” oder ein “Sie Glückliche!”.
Ich musste am Anfang noch gut bei sowas schlucken, denn eigentlich sind alle Aussagen mehr als daneben. Ich sehe bei weitem nicht aus wie 67 Jahre so dass man mich mit der Altersrente in Verbindung bringt, ich möchte auch nicht bemitleidet werden und mich als Glückliche zu bezeichnen ist eigentlich nur purer Hohn. Natürlich weiß ich dass diese Reaktionen aus Unwissenheit kommen und lächle nur nichtssagend dazu oder winke ab.
Als Beruf “in Rente” – da denken die meisten Menschen bei jemandem wie mir mit gerade Anfang 30 an arbeitsscheues Sozialschmarotzertum. Dass es aber nichts anderes bedeutet als z.b. “aufgrund einer oder mehrerer Erkrankungen nicht mehr fähig täglich im vollem Umfang am Arbeitsleben teilzunehmen” ist in den Köpfen der Menschen nicht vorhanden. Man sieht die “Rente” als arbeitsfreie Zeit, würde Geld vom Staat kriegen und dürfte sich auf der faulen Haut ausruhen. Ein Gedanke an das “Erkrankungen und schlechte Gesundheit” und dass die Rente weiß Gott nicht hoch ist, nein das gibt es nicht. Kann man auch nicht zwingend erwarten.
Wähle ich als Antwort Variante 1 so muss ich damit leben dumm angeguckt zu werden und als arbeitsfaul zu gelten, da man meine Erkrankungen halt nicht mit einem Blick sieht. Ist ja nicht so dass ich im Rollstuhl sitze oder mir 2 Arme fehlen.
Variante 2:
Ich bin …. ja was eigentlich?
Das ist die Frage, der Fragen, denn es ist nicht so dass ich nichts mache und mich auf der Rente “ausruhen” würde. Und ich darf laut Gesetz sogar noch Geld dazu verdienen und im gewissen Umfang arbeiten. Durch meine freie Zeiteinteilungsmöglichkeit kann ich das mit meinen Erkrankungen wunderbar vereinbaren und ohne Zwang alles so einrichten wie es für mich gesundheitlich gerade geht. Schließlich braucht jeder eine Aufgabe damit ihm nicht die Decke auf den Kopf fällt.
“Ich arbeite online” ist nicht wirklich aussagekräftig und “Ich mach da was im Web” würde auch nur zu Fragezeichen über den Köpfen der Menschen führen. Ich kenne keine Bezeichnung für das was ich tu. Doch was mach ich denn genau? Am Besten ich mache es wie Christina und schau mir an was genau ich eigentlich alles mache.
- Ich blogge. Gleich mehrere Blogs werden von mir gefüllt. Also kann ich mich wohl als Blogger bezeichnen. Zumindest ist das ein sehr großer Teil meiner Onlineaktivitäten.
- Ich produziere YouTube Videos. Ich schreibe, drehe, schneide und veröffentliche sie. Was bin ich da? Darstellerin, Cutter, Regisseur? Nennen wir es einfach YouTuber.
- Ich schreibe Texte, Kurzgeschichten, manchmal Gedichte (oder Texte die ich für sowas halte) und Artikel. Bin ich nun Dichter oder gar Autor?
- Ich erstelle hin und wieder Webseiten für Andere. Bin ich nun Webdesigner?
- Ich teste Produkte und review diese auf meinem Beautyblog. Bin ich nun Produkttester?
- Ich lese Bücher und veröffentliche Kritiken dazu. Bin ich nun Kritiker?
- Ich habe ein paar Facebook Pages, Twitter Kanäle und YouTube Channels. Bin ich nun Social Media Manager?
- Ich trödel im Web auf Kleiderkreisel, Ebay und Amazon. Bin ich Online-Trödler?
- Ich betreue ein paar kleine Projekte und Blogs für Andere. Bin ich nun Projektmanager?
Ich weiß ehrlich nicht was ich beruflich gesehen bin…..
Aber es ist auch egal was ich bin, denn selbst wenn ich irgendeine Bezeichnung wie Multi-Online-Worker nenne, würde das dem Frager wenig helfen, denn damit weiß er gar nichts von dem, was ich genau mache.
Meist sage ich nur noch “Ich bin Blogger und YouTuber.” Doch auch da bekommt man erstaunte Blicke von Menschen. “Was ist das denn?” hörte ich schon oft von Menschen, die wenig im Web unterwegs waren. Nach der Erklärung “Ich veröffentliche Artikel und Videos im Internet.” folgt so gut wie immer die Frage “Ach, damit kann man Geld verdienen?”.
Und was mache ich nun beruflich?
Wer eine Antwort für mich hat, der möge es mir in die Kommentare scheiben….. denn ich weiß es noch immer nicht. Vielleicht lasse ich mir ja “kreativer Kopf” auf meine Visitenkarten drucken…..
Was mir noch aufgefallen ist: Variante 2 wird, wenn Variante 1 bekannt ist, oft nicht als echte Tätigkeit wahrgenommen. “Das ist doch kein echter Job”. Selbst von etwas entfernterer Familie bekam ich schon zu hören, dass ich ja nicht arbeite, denn ich gehe nicht jeden Morgen aus dem Haus zu einer festen Arbeitsstelle. Ich solle diesen Internetkram mal lassen und lieber Regale einräumen gehen….. das Weltbild der ältesten noch lebenden Generation eben……. Doch es ist bezeichnend. Gerade wer mit dem Medium Internet nicht viel zu tun hat, versteht oft nicht dass es tatsächlich Berufe gibt, die sich online abspielen. Und dass wir Online-Worker nicht mal selbst wissen wie unsere Berufe heißen, machts ja auch nicht zwingend einfacher 😉
Vielleicht sollte ich in Zukunft einfach Variante 3 wählen: Hausfrau….
Su-Mu
Hausfrau, das kapiert jeder 😉
Lena
Hausfrau stimmt doch auch. Alles andere sind ja bestenfalls Hobbies.. Was mich nur wundert: Ich wette (bei der langen Liste), dass Du in Deine Hobbies mehr als die Dir angeblich zuzumutenden drei Stunden Arbeit steckst. Wenn Du also doch in der Lage bist, 4 – 5 Stunden täglich zu arbeiten, warum suchst Du Dir dann keinen richtigen Job?
Conny
Und da haben wir es wieder…… genau das was ich anprangerte ist soeben durch Lena wieder aufgetreten. Danke für diese Veranschaulichung meines Artikels in absoluter Reinform. 🙂
Conny
Ich habe den Passus mit den 3 Stunden abgeändert, denn es ist nur eine Variante der vollen Erwerbsunfähigkeit, das Gesetz und verschiedenen Kombinationen die dazu führen ist natürlich viel umfangreicher, so dass ich die Beschreibung in einen offeneren Zusammenhang umgeändert habe. Damit auch jeder Fan von Goldwaagen zufrieden ist.
Su-Mu
Klasse Lena, sie sucht sich keinen Job, weil sie krank ist. So schwer ist das nun auch wieder nicht oder?!
Wiege
Hallo Conny,
mein Mann hatte vor 10 Jahren einen unverschuldeten, schweren Autounfall, bei dem er massive Gehirnblutungen erlitten hat.
Er ist seitdem halbseitig gelähmt und auch geistig sehr eingeschränkt.
Wir haben zwei Söhne (7 und 10).
Ich habe mich nach dem Unfall dafür entschieden, unter diesen Umständen zu Hause zu bleiben, um mich um meine Männer kümmern zu können.
Neulich fragte mich eine frühere Freundin, die ich länger nicht gesehen hatte, ob ich arbeite. Ich sagte „Ja, das tue ich! Ich pflege meine Familie und schmeiße den Haushalt und kümmere mich auch um alles andere.“
Daraufhin lachte sie spöttisch und sagte: „Nein – ich meine, ob du GELD VERDIENST!“. :o(
Leider glauben die meisten Menschen, dass eine Tätigkeit, die nicht bezahlt wird, auch nichts wert ist. Ich habe leider absolut keine Hoffnung, dass sich das jemals ändern wird.
Liebe Grüße,
Wiege
Conny
Hallo Wiege, ja das wird sich nur schwer jemals ändern. Und gerade wenn man seinen Mann pflegt und 2 Kinder hat, hat man mehr als nur einen Vollzeitjob. Ich kann mir gut vorstellen wieviel Kraft es kostet und dann noch von einer früheren Freundin so spöttisch behandelt zu werden, das ist wirklich verletzend und ärgerlich.
Heike
Hallo Conny,
ich möchte dir die Hand schütteln, das Dilamma hast du sehr gut beschrieben. Auch ich bin schon seit Mitte 30 erst Teil- und dann Voll-Erwerbsunfähig und beziehe ensprechnde (Mini-)Rente. Auch mir sieht man meine Krankheit nicht an und kämpfe dem entsprechend mit Missverständnissen. Auch ich habe mir eine Beschäftigung gesucht, die ich mit meiner Gesunderhaltung vereinbaren kann.
Lena, es macht einen immensen Unterschied, ob man einer fest geregelten Erwerbstätigkeit bei einem Arbeitgeber nachgeht, oder ob man je nach gesundheilticher Verfassung agieren und seine verbleibenden Ressourcen autonom einteilen kann. Es gibt gute und schlechte Tage, und abgesehen von unserer persönlichen Verfassung und unseren persönlichen Wünschen wären Betroffene wie Conny oder ich wahrscheinlich weder einem potentiellen Arbeitgeber, noch einem Kollegium „zumutbar“.
Liebe Grüße Heike
Conny
Ich danke Dir Heike für Deine lieben Worte. Du hast es Lena gegenüber auch sehr gut erklärt und den Nagel auf den Kopf getroffen.