Deutliche Worte, ich weiß. Aber es ist wahr. Der Tod ist kein verklärter, romantischer Augenblick. Der Tod ist nicht sauber und schön. Der Tod ist scheiße. Für denjenigen, der stirbt, wie auch für all jene die zurückbleiben und dabei zusehen müssen. Man kann einfach nichts tun. Man kann es nicht aufhalten und man kann es nicht beschleunigen. Zum 2. Mal in meinem Leben sehe ich zu, wie ein geliebter Mensch an Altersschwäche in einem Pflegeheim sich auf den letzten Weg macht. Zum 2. Mal und es ist dem 1. Mal so verdammt ähnlich, dass es doppelt weh tut.

Vor sechs Wochen war ich zuletzt bei Tata im Pflegeheim. Sie saß im Gemeinschaftsraum am Essenstisch im Gemeinschaftsraum und aß wie ein Spatz. Sie war nicht dazu zu bewegen mehr zu essen. Die Menge ihrer Nahrung reichte bei weitem nicht für eine normale Aufrechterhaltung aller Lebensfunktionen. Aber sie saß noch im Rollstuhl, nahm die Umgebung um sich herum wahr und konnte sich ein wenig mit mir unterhalten. Sie haute noch so lustige Sprüche raus, wie damals bei den Unboxing Videos von mir.

Als ich sie wieder besuchen wollte, ging sie ins Krankenhaus. Blutarmut. Sie wurde aufgepeppelt und als sie wieder zurück im Heim war, kam sie kurz darauf in Quarantäne wegen einer Durchfallerkrankung. Auch diese bekam man wieder in den Griff, doch sie war zusehend geschwächt.

Gestern rief ich sie an, doch sie schlief. Sie schlief in letzter Zeit sehr viel. Sie konnte nicht mehr allein ans Telefon gehen. Die Stationsschwester rief mich spontan zurück als sie wach war. Dafür war ich sehr dankbar. Ich merkte allerdings, dass ein echtes Telefonat nicht mehr möglich war. Sie sagte fast nur noch „ja“ auf Fragen und das Sprechen fiel ihr sehr schwer. Es war zu anstrengend. Einzig auf die Frage, ob ihr der Kaffee dort den schmecken würde, kam ein „Die Bohne ist halt durchgelaufen“. Tatas freche Sprüche.

Die Pflegerin sagte zu mir, dass sie glaubt, wenn ich sie nochmal sehen will, sollte ich vor Samstag kommen. „Wenn Sie sie nochmal sehen wollen…“ Den Satz hatte ich schon einmal gehört…. Ich wusste bereits, dass Tata schon zwei Tage so gut wie gar nichts mehr gegessen hatte. Auch das war mir vertraut….

Ich organisierte umgehend, dass meine Ma und ich heute zu ihr fuhren. Auf der Hinfahrt verpasste meine Mutter die Ausfahrt…. wenigsten nicht wie bei der S-Bahn damals bei Oma…. Als wir ankamen, erwartete uns schon mein Bruder. Das Déjà-vu ließ erneut grüßen….

Tata lag in ihrem Bett und der Fernseher lief. Sie schlief. Ihr Anblick war das absolute Ebenbild meiner Oma damals. Das Gesicht sah ähnlich aus. Diese Schwäche, das Alter, die Kraftlosigkeit… Mal war sie wach, mal schlief sie, immer zwischen Wachen und Schlafen. Wirklich miteinander reden konnten wir nicht mehr mit ihr.

Sie erkannte uns allerdings und freute sich, das konnte ich sehen. Sie bejahte die Frage, ob sie etwas trinken wolle und ich gab ihr aus der Schnabeltasse zu trinken. Sie aß sogar ein wenig Butterkeks und trank danach erneut. Dabei verschluckte sie sich und hustete kraftlos. Das nächste Déjà-vu….

Wir schauten uns gemeinsam die Fotoalben aus ihrem Schrank an und fragten sie, ob sie noch wisse wie die Frau einer ihrer Brüder hieß, was sie beantworten konnte. Sie sagte meist nur ein Wort, aber sie wusste es noch. Sie war irgendwie in dem Moment da.

Ich grüßte sie von meinen Kindern und sagte ihr, dass ich sie lieb habe und sie schlafen darf. Es sei ok.

Mit den Pflegerinnen sprach ich im Anschluss noch kurz und überreichte Kekse und Gummibärchen als kleinen Dank, dass sie sich so nett kümmern.

Tata tritt ihre letzte Reise an und es tut verdammt weh. Meine Kinder sind traurig, es ist das erste Mal, dass sie es so bewusst erleben, dass jemand stirbt, den sie mögen. Das macht es für mich noch einen Ticken schlimmer, weil ich ihre Trauer sehe und spüre und nicht nur mit meiner eigenen kämpfe.

Tata geht nun den Weg, den ihre Schwester bereits ging. Auf sehr ähnliche Art und Weise. Erschreckend ähnlich. Aber ähnlich waren die beiden sich ja schon immer.