Ich habe mir eben ein Video angesehen, welches ich vor 10 Monaten von Oma aufgenommen hatte. Dabei sind mir viele Veränderungen erst wirklich richtig doll aufgefallen. Oma baut immer weiter ab. Die Krankheit ist halt nicht aufzuhalten und man muss zusehen.

Die Veränderungen sind deutlich

Oma wird auch körperlich immer gebrechlicher. Die Treppen sind manchmal kaum noch zu bewerkstelligen. Es kostet sie sehr viel Kraft die Treppen zu laufen. Sie beginnt Menschen nicht immer mehr zu erkennen. Ständig spricht sie davon gerade mit Opa telefoniert zu haben, welcher jedoch schon 9 Jahre tot ist. Es ist nun auch das erste Mal passiert dass sie bei einer Mitteilung, dass jemand tot ist, Trauer empfand. Sie ist schon längere Zeit Urin-Inkontinent aber nun zieht sie sich die benutzten Urineinladen aus den Slips und versteckt sie im Wäscheschrank, hinter Sofa-Kissen und manchmal auch in der Besteckschublade…. Das macht wirklich keinen Spaß.

570860_original_R_K_B_by_Gerd Altmann_pixelio.deOma trug immer ein Nachthemd, wenn sie zu Bett ging. Immer. Die letzten 2 Nächte  brachten wir sie normal zu Bett und wenn ich nachts das Licht bei ihr ausmache (sie schläft oft bei eingeschalteten Licht beim Lesen ein), dann lag sie komplett nackt unter der Bettdecke. Leider auch ohne Urineinlage…. Nur gut dass ein Urinschutz auf dem Laken ist. So kann man es hinnehmen. Es irritiert mich. Ich verstehe nicht woher das kommt, sie kann es auch nicht sagen wieso. Man muss es einfach so hinnehmen.

Ihre Sprache ist immer häufiger durcheinander. Es kommt immer mal wieder nur Kauderwelsch heraus. Gestern hat sie anscheinend nicht mal mehr verstanden, was meine Ma zu ihr sagte.

Zusammenhänge sind immer weiter ins Nirvana verschwunden. Man führt immer wieder sehr absonderliche Gespräche.

Unsere Toilette ist ja eine halbe Etage tiefer im Treppenhaus. Ich hatte ein Bedürfnis und suchte diesen Ort auf. Da hörte ich wie Oma an meiner Wohnungstür klingelte. Ich verließ die Toilette und ging die Treppe zu meiner Wohnung hoch. Oma erblickte mich beim Hochgehen und sagte “Ach, bist Du gar nicht da?” Ich erwiderte: “Doch doch, ich war nur eben auf Toilette.” Und Oma sprach: “Ach so, dann bist Du jetzt gar nicht in Deiner Wohnung?” Ich guckte etwas doof und meinte nur: “Ne Oma, ich steh hier vor Dir im Treppenhaus.” Oma meinte dann toternst: “Na, wenn Du nicht da bist, brauch ich auch nicht klingeln.”, drehte sich um und ging in ihre Wohnung…..

Aktuell ist es auch sehr schlimm mit der Tag/Nacht Umkehr. Bis zu 3 Mal jede Nacht entdecke ich wie Oma aufstehen will und sich anzuziehen versucht. Dann geleiten wir sie wieder ins Bett. Da schläft sie dann auch weiter. Immerhin. Doch ist es seltsam, sie dann auch mal absolut nackt am Tisch sitzend mit 8 Unterhosen vor sich, zu finden. Und was sie dann wie anzieht, davon spreche ich lieber erst gar nicht. Aber es ist interessant wieviele Slips man übereinander anziehen kann und unter was man alles ein Nachthemd trägt.

Der Gedanke an ein Heim wird stärker

Langsam macht sich der Heimgedanke immer mehr in unseren Köpfen breit. Meine Ma kommt mit dem körperlichen und geistigen Abbau ihrer Schwiegermutter nicht so gut klar. Nur sie darf die körperliche Pflege bei Oma machen, da Oma mich nicht an sich lässt. Ganz selten dass ich zur Hand gehen darf in dem Bereich. Noch sieht sie die Großtochter in mir. Da meine Ma will, dass ich am Wochenende mit meinem Mann Zeit verbringe, hat sie dann Oma fast komplett bei sich sitzen. Das ist für sie sehr anstrengend. Geht meine Ma nur kurz aus dem Raum, ruft Oma schon nach ihr. Oma redet dann auch viel Unsinn, erzählt Dinge, die es nur in ihrer Fantasie gibt. Sie lebt in ihrer eigenen Welt. Wahrheiten, Logik – das gibt es oft nicht. Meine Ma versucht noch immer zu ergründen woher manche Aussagen kommen, ich nehme sie hingegen einfach hin. Wenn mir ein Zusammenhang zufällig auffällt, ok. Wenn nicht, dann nicht. Ein ewiges Ergründen zermürbt meiner Ansicht nach nur.

Auf Dauer ist es sehr anstrengend Oma um sich zu haben. Man muss immer auf der Hut sein, darauf achten wie man antwortet um nicht Angst, Verwirrung oder Wut auszulösen. Ständig muss man sich auf die Zunge beißen um Oma nicht zu korrigieren. Man darf nur Ja sagen und immer zustimmen. Alles andere führt sowieso zu nichts als dass es Oma schlecht geht und man selbst zermürbt ist.

Doch ich sehe dass wir an die ersten echten Grenzen stoßen. Grenzen, die in der Kraft meiner Ma liegen aber auch im Rahmen der Rund-um-die-Uhr Betreuung von Oma. Die Frage, ob Oma eines Tages ins Heim kommt, die ist schon lange geklärt. Ja sie wird ins Heim kommen. Das wissen wir, das steht für uns fest. Doch wann. Wann ist der richtige Zeitpunkt.

Fachpersonal sagte uns: “Geben Sie ihre Oma nicht zu spät ins Heim.” Dabei geht es darum, dass sie mit noch ein wenig klar Denken, die Chance hat, sich einzuleben. Aber ich stehe da und überlege wie Oma sich dort fühlen wird. Hier bin ich nebenan und Oma weiß noch wo klingeln. Ja sie macht Unsinn, aber sie rennt nicht ziellos und verwirrt durch irgendwelche Flure wo keiner ist. Gut in den Fluren kann ihr soweit nichts passieren, doch ist sie dann auch mal auf einer Etage allein und hat Angst. Gut Angst kann sie auch allein in ihrer Wohnung haben wenn es nachts ist. Aber ich bin direkt nebenan.

Hier daheim wird sie von der Familie noch integriert. Wir wissen wovon sie spricht, wir kennen ihre Erinnerungen, wir pflegen sie mit persönlichem Bezug und Liebe. Sie wird umarmt und bekommt Küsschen auf die Wange und gibt auch Küsschen auf die Wange. Sie ist dankbar für die Art Zuneigung. Das wird im Heim wegfallen. Ok, wir können, wenn wir wollen, täglich vorbei gehen, sogar mit Hunden. Doch das ist nicht das Gleiche. Hunde, noch ein Thema. An Shira als ihren Hund zu denken, das ist schon lange vorbei. Doch Susi ist fast täglich um Oma herum und liegt auf ihrem Schoß. Zu Susi hat sie noch einen Bezug. Susi ist eine kleine Krankenschwester-Hündin. Sie ist eigentlich wild und frech aber sobald sie bei Oma ist, ist sie ruhig und liegt stundenlang nur platt da und lässt sich kraulen. Shira hingegen ist kurz wild und verzieht sich und bleibt nicht bei Oma. Daher ist der Bezug zu Susi sogar besser. Und Hunde wirken bekanntlich positiv auf demente Personen. Oma scheint immer glücklich wenn sie Susi auf dem Schoss hat. Das fiele im Heim – in der Regelmäßigkeit – auch weg. Doch kann Oma noch mehr im Heim gefördert werden, sie ist mehr von anderen Menschen umgeben als hier.

Um die Entscheidung kann ich mich nicht drücken

Es ist keine einfache Entscheidung, die ich da fällen muss. Ich muss sie nicht allein fällen und doch muss ich sie allein fällen. Ich bin die Betreuerin, ich muss es entscheiden – in letzter Instanz. Meine Ma ist für das Heim, aber sagt, sie weiß nicht wann genau, aber bitte nicht mehr zu lange rausschieben. Mein Onkel sagt, es ist meine Entscheidung, da wir sie ja hier pflegen und steht hinter uns. Das freut mich aber die Entscheidung fällen, die muss ich in voller Konsequenz allein. Und ich versuche aktuell abzuwägen ab wann ein Heim für Oma besser ist als die Pflege daheim. Und dabei auch nicht aus den Augen zu verlieren ab wann ein Heimplatz für Oma auch besser für meine Mutti ist. Über mich selbst denke ich nicht nach, denn das würde mich in der Entscheidung noch mehr lähmen.

Ich weiß nicht ob ich den nächsten angebotenen Heimplatz ausschlagen werde….. noch sagt mir mein Herz dass es zu früh ist. Doch der Verstand spricht bereits anders.