Meine Söhne lesen derzeit viel. Einer der Beiden hatte sich nun ein Buch aus meiner Kindheit rausgesucht. Das Buch heißt „Meffi, der kleine feuerrote Teufel“ von Doris Jannausch. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich selbst das Buch als Kind las oder nicht. Während mein Sohn es schon zu lesen begann, nahm ich es auch mal in die Hand und stolperte direkt über eine Stelle, die mich nachdenken ließ.
Ruß und Wasser hatten sich auf seiner roten Haut zu einer feuchten Schmutzschicht vermischt, dass er halb wie ein Neger, halb wie ein Indianer aussah.
Wie also nun umgehen mit Rassismus in einem Kinderbuch? Diese Frage stellte sich mir. Sollte ich den Nebensatz einfach schwärzen? Sollte ich es unreflektiert einfach lesen lassen und warten, ob Fragen kommen? Oder gehe ich direkt zu meinen Kids und eröffne einen Gespräch über Rassismus?
Einfach zu schwärzen, würde erst recht Fragen aufwerfen. Einfach lesen lassen, würde niemals zu Fragen führen, sondern würde nur die Saat setzen, dass es normal sei rothäutige Personen als Indianer zu sehen und das Wort Neger würde sie vermutlich zwar rätseln lassen, aber ob sie es mit „schwarz“ verbunden hätten, weiß ich nicht. Also lieber doch proaktiv?
Ich stellte die Frage auf Facebook in meiner Timeline und in mehreren Mamagruppen. Ich war neugierig, wie Andere damit umgehen. Die Antworten überraschten mich doch sehr.
Von „man solle es nicht aufbauschen, ist doch normal gewesen“, über „ist halt Zeitgeschichte“, „ich seh da nix rassistisches“ und „ich esse immer noch ein Zigeunerschnitzel und es heißt bei mir Negerkuss“ kamen sehr viele eindeutig unreflektierte Antworten und vor allem Meinungen. Solche Antworten riefen dann auch viele Erfahrungen hervor, in denen Menschen von Freunden und sich selbst berichteten, wie stark sie durch diesen selbstverständlich akzeptierten Rassismus litten. Wie sehr sie lustig gemeinte Witze über Maximalpigmentierte zum Weinen brachten. Sehr selten kam die Aussage, dass man das Buch einfach wegwerfen solle.
Es wurde deutlich, dass man Bücher nicht zensieren sollte und Viele waren für das offene Gespräch. Doch zu deutlich war auch, dass Alltagsrassismus zu wenig präsent ist. Sehr viele erkennen Rassismus im Alltag nicht. Allein die Aufforderung „Gib mir mal die Hautfarbe“ beinhaltet mehr Rassismus als Manche sich vorstellen können. Eine Freundin sagte zu mir vor einiger Zeit, dass Rassismus oft in kleinen Dingen steckt. Beispielsweise sind Pflaster in einer beigen Farbe, damit sie unauffällig auf der Haut angebracht werden können. Schon mal ein schwarzes Pflaster im Drogeriemarkt gesehen? Wenn man sich solche Dinge mal vor Augen führt, merkt man erst, wie problematisch manches ist. Und das hat nichts mit Überempfindlichkeit zu tun. Oder aus Mücken einen Elefanten zu machen.
Ich möchte an dieser Stelle das Buch „Gib mir mal die Hautfarbe„* empfehlen. Sie hat meinen Blick deutlich erweitert und mein Verständnis verändert.
Eine Empfehlung, die ich allerdings schon von je her umsetze, gefiel mir besonders. Sie lautete, dass man viele Bücher über Diversität lesen sollte. Bücher über Rassismus, Diskriminierung, Divergenz und dabei viele Dinge offen anzusprechen, wie auch beispielsweise Stereotypen auflösen. Den Kindern ein breites Spektrum aufzuzeigen und damit ihren Blick zu öffnen.
Meine Entscheidung damit umzugehen
Und wie bin ich nun damit umgegangen? Ich habe meinen Sohn das Buch lesen lassen und habe die Stelle geschwärzt und habe meine Söhne in ein Gespräch verwickelt. Ich erklärte, wieso ich diese Stelle schwärzte und erklärte auch, was dort stand. Ich erklärte, dass das Wort Neger absolut verboten ist und eine Beleidigung für People of Colour. Wir sprachen über die Kolonialzeit, wir sprachen über Amerika und wie falsch es ist jemanden als Rothaut und damit als Indianer zu bezeichnen. Wir sprachen sogar ganz kurz über die Verfolgung aufgrund von Religion. Wir sprachen darüber, dass wir alle die Farbe bluten, wenn wir uns schneiden und niemand aufgrund Aussehen, Religion oder Herkunft verurteilt werden darf und jeder Mensch gleich viel wert ist.
Ob das alles bei meinen Kids richtig ankam? Ich hoffe es. Kann es passieren, dass sie jetzt zu einem Kind mit schwarzer Hautfarbe hingehen und sagen „Ich weiß jetzt, dass ich Dich nicht Neger nennen darf.“ – oh weh das wäre mein mütterlicher Albtraum, aber ja sowas könnte aufgrund eines solchen Gespräches vielleicht passieren. Wie sagte mein einer Sohn: „Mama, wieso hast Du uns das Wort genannt? Nun muss ich vielleicht immer dran denken, dass ich das nicht sagen darf und sage es vielleicht dadurch erst recht.“ – Tja, tatsächlich kann ich das nachvollziehen und bereute in dem Moment das Gespräch für eine Millisekunde. Aber es war richtig, dies Gespräch zu führen und ihnen das Wort zu nennen. Nur so können sie das Wort erkennen, wenn sie mit Freunden unterwegs sind und Andere vielleicht sie so nennen. Nur so können sie im Umfeld erkennen, wenn jemand „falsch“ redet.
Mein Sohn hat das Buch übrigens nicht zu ende gelesen. Er fand es nach 2 Kapiteln zu öde. Womit er recht hat, denn ich las es mittlerweile durch und das nächste Gespräch mit den Kindern wäre dann vermutlich über Gewalt an Kindern gewesen, da der kleine Teufel mehrfach einen „Klaps“ vom Erwachsenen bekam und in sein Zimmer geschickt wurde….
Kinder unterm Hakenkreuz – Frank Schwieger – Connys Bücherecke
[…] 9 Jahren. Bislang hatten sie erst vor kurzem den ersten Kontakt mit dem Thema als wir ein längeres Gespräch über Rassismus führen mussten. Noch empfinde ich, zumindest für meine Kinder, das Buch als zu früh, aber ich bin so von […]