Es war der Silvesterabend als wir bemerkten, dass der Hoden von Alex einseitig geschwollen war. Da er nicht verfärbt war und keine Schmerzen verursachte, blieben wir gelassen und saßen am 2. Januar bei der Vertretungskinderärztin. Sie besah sich alles und urteilte: Wasserbruch. „Da müssen Sie zum MVZ, die sollen schauen, ob es operiert werden muss.”

Wir gingen also eine Woche später zum MVZ und die Ärztin untersuchte Alex und urteilte: „OP – Es gibt keine andere Behandlungsoption als Operation.” Der Termin wurde für Mitte Mai angesetzt. Ja, die Wartezeiten sind lang, doch wir waren zusätzlich auf einer “falls einer ausfällt Liste” und wurden mehrfach angerufen, doch nie passte es bei uns. So fand die Operation ganz regulär Mitte Mai statt.

Um kurz vor sechs Uhr weckte ich meinen Sohn und bot ihm einen halben Becher Wasser an. Danach durfte er bis nach der OP nichts mehr zu sich nehmen. Das Ganze verlief problemlos, denn wir verließen bereits um kurz vor sieben Uhr das Haus und machten uns mit der Straßenbahn auf den Weg. Mein Mann blieb mit Basti daheim.

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Los geht die Operartion

Im MVZ meldeten wir uns an und wurden schon nach wenigen Minuten zur Narkoseärztin gebracht. Sie klärte mich nochmal über alles auf, nahm sich Zeit für meine Fragen und gab Alex den Beruhigungssaft. Danach gingen wir in den Aufwachraum, wo ich ihn entkleidete und er schon mal in sein Bettchen krabbeln durfte. Er war gut gelaunt und alberte mit mir rum. Anfangs hatte ich ihn noch kuschelnd auf meinem Schoss, doch als der Saft anfing zu wirken, legte ich ihn flott ins Bettchen. Seine Bewegungen wurden immer unkontrollierter und ich musste ihn mehrfach “auffangen”, damit er nicht mit dem Kopf gegen die Bettgitterstäbe knallt. Ein 1,5 jähriges Kind war vor uns dran, doch da wirkte der Beruhigungssaft nicht, weswegen sie den Versuch des Zugangslegen unter lautem Gebrüll des Kindes abbrachen und ihm erneut etwas Saft nachgaben. Das Kind hatte beim ersten Mal schlicht zu wenig getrunken. Bei Alex war es anders. Als ich ihn und seine zwei Lieblingskuscheltiere auf den Arm hob und zum OP Tisch brachte – ich war entsprechend eingekleidet worden – da war er schon sehr apathisch und wirkte wie betrunken. Ich legte ihn ab und der Zugang wurde in seine Rechte Hand gelegt. Die Ärztin lenkte ihn dabei mit der Sauerstoffmaske ab. Er jammerte nur ganz kurz als der Zugang in seine Hand gestochen wurden. Doch als die Narkoseflüssigkeit hineingespritzt wurde, da rief er aus: „Aua, Aua, Mama, das brennt, das….und da fiel mein Sohn in sich zusammen und er hörte augenblicklich auf zu atmen. Ich schnappte die Kuscheltiere, stand auf, drehte mich um und ging schnurstracks hinaus aus dem Operationsraum. Hinter meinem Rücken wurde er währenddessen intubiert. Die Ärztin hatte mir vorher gesagt, dass sobald er das Zeug im Körper hat, ich sofort raus muss, denn vom Atemstillstand an muss es zügig mit dem Intubieren gehen. Ein komisches Gefühl zu wissen, dass das eigene Kind soeben “stillgelegt” wurde. Ich hatte das Gefühl ihn in guten Händen zu wissen, was es erleichterte. Die Damen waren alle nett und versuchten es fröhlich zugehen zu lassen. Sie interessierten sich für die Kuscheltiere und sagten, dass sie ja schon viele im OP gesehen haben, aber eine Spinne wäre noch nie dabei gewesen. Das machte es leichter mich danach am Kaffee zu bedienen und ins Wartezimmer zu entschwinden, wo ich dann mein Frühstück zu mir nahm. Ich entschwand noch auf die Toilette und kaum war ich zurück im Wartebereich, da wurde ich auch schon gerufen. Die ganze Operation dauerte nur knapp 25 Minuten. Die Ärztin teilte mir noch beim Laufen auf dem Gang mit, dass alles gut verlief und einfach war und es vermutlich nicht wiederkommen wird. Ich dürfe ihn zwei bis drei Wochen nicht toben, springen und rennen lassen. Spielplätze seien tabu.

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Warten im Aufwachraum

Ich betrat den Aufwachraum und wartete. Ein paar Minuten später wurde mein Kleiner hinein geschoben und da lag er dann mit diesem Mundstück vom Intubieren im Mund. Es hält die Zunge und durfte nicht entfernt werden. Es liegt nur locker im Mund und sobald die Kinder aufwachen, darf es raus. Das machen die Kids meist selbst. Mir wurde untersagt an meinem Sohn “rumzutüddeln” oder ihn zu streicheln. Ich solle ihn ganz in Ruhe lassen, damit er erst aufwacht, wenn er auch dazu bereit ist. Daran hielt ich mich und es fiel mir nicht mal schwer. Ich kenne es ja von mir selbst, nach einer Vollnarkose braucht man seine Zeit um zu sich kommen.

So hatte ich viel Zeit mit meinem Nintendo DS, meinen Ebooks und meinem Handy zu vertrödeln. Die Betreuerin des Aufsichtsraums übernahm die Wache über ihn, wenn ich mal auf die Örtlichkeiten musste, und schaute sehr regelmäßig nach ihm. Sie schaute aber auch nach allen Eltern und fragte immer mal ob alles ok ist. Kaffee und Tee standen die ganze Zeit bereit und nach und nach kamen immer neue Eltern mit Kindern hinzu. Man unterhielt sich kurz und wartete auf das Aufwachen des eigenen Kindes und hielt sich etwas bedeckt, wenn wieder eine Mama mit Tränen in den Augen aus dem OP kam, weil sie ihr Kind drin gelassen hatte. Ich bin ja glücklicherweise nicht ganz so nah am Wasser gebaut.

Nach ungefähr 90 Minuten rührte sich Alex das erste mal. Er stützte sich auf seinen Ärmchen ab und versuchte das Teil aus dem Mund zu kriegen. Ich half ihm und er guckte mich kurz an, drehte sich zur Wand und schlief einfach weiter. Ich hatte ihm zweimal über den Rücken gestreichelt und dann die Schultern gezuckt und mir gedacht: „Jo, dann schlaf weiter.” Und so saß ich eine weitere Stunde neben meinem schlafenden Sohn und trank noch einen Kaffee.

Derweil waren bereits zwei weitere Kinder aufgewacht und jammerten und weinten leise vor sich hin. Sie standen neben sich und die Mamas hatten allerhand damit zu tun, sie zu beruhigen. Auch ein weiteres Kind war später sehr weinerlich nach der Narkose. Da fing ich langsam an mir Gedanken zu machen, wie mein Sohnemann wohl drauf wäre. Ich mein, ich war gut vorbereitet. Ich hatte einen dicken, schweren Rucksack mit. Es hieß man soll leichte Kost mitbringen, also keine Cheeseburger. Tatsache, es haben wohl wirklich mal Eltern Cheeseburger nach so einer OP ihrem Kind mitgebracht…. Ich hatte zwei Scheiben trockenes Weißbrot, zwei Scheiben Zwieback, zwei Scheiben leicht & cross Knäckebrot, Gurkenstücke, Paprikastücke, Karottenscheibchen, Apfelstücke, eine Banane, Sesambrezeln, Butterkekse, zwei Quetschies mit Joghurt und zwei Quetschies mit Fruchtmus mit. Viel zu viel wird nun jeder ausrufen, doch lieber zu viel als zu wenig und so hatte Sohnemann wenigstens Auswahl. Und damit bin ich sehr gut gefahren. Sohnemann erwachte, rieb sich die Augen, guckte umher und sagte: „Mama, darf ich jetzt das Geschenk auspacken?”. Dabei zeigte er zur Fensterbank, wo unsere Sachen lagen und ich ein eingepacktes kleines Päckchen hingelegt hatte. Die Idee hatte meine Freundin Steffi und das war ein echtes Highlight für Alex. (Danke für die Idee dazu!) Er setzte sich auf, packte das Geschenk aus und war begeistert von dem Hot Wheels Monstertruck mit plattgefahrenem Auto dabei. Er spielte und quatschte und trank erstmal etwas Wasser. Er hatte auch direkt Hunger und gab mir das Weißbrot zurück und knabberte lieber das Knäckebrot und die Gurken. Eines der Quetschies verschwand genauso in seinen Magen. Er trank und spielte und griff schon mal zum Handy, um meinem Mann Bescheid zu sagen, dass er langsam losfahren kann, da wir sicher bald heim dürfen. Alex bat darum eine neue Windel zu bekommen und genau in dem Moment kam eine der Damen und fragte, ob er gegessen, getrunken und Pipi gemacht hätte. Da ich alles bejahen konnte, hätten wir sofort losgedurft. Aber so warteten wir halt noch eine halbe Stunde auf meinen Mann.

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Alex war im Gegensatz zu den anderen anwesenden Kindern sehr gut gelaunt und total er selbst. Nicht weinerlich sondern wach, aktiv und am liebsten hätte er da rumgetobt. Ich kann nur vermuten, dass durch das nochmal einpennen, er einfach nicht wirr war und weil ich nicht an ihm rumtüddelte, er so entspannt zu sich kommen konnte. Wir puzzelten, schauten ein Buch an und spielten mit seinem Monstertruck. Ich zog ihn an und da kam auch schon mein Mann mit dem Bollerwagen. Da ich ja vorher nicht wusste, wie gut Alex beieinander sein würde, fand ich den Bollerwagen eine gute Idee. Alex kletterte rein und schnappte sich die Futterdose und mampfte den ganzen Weg bis zum Auto. Die Heimfahrt war entspannt und der Weg vom Parkplatz heim war Alex erneut futternd im Bollerwagen. Da hatte jemand eindeutig Kohldampf, was um knapp 14 Uhr auch kein Wunder war. Mein Mann trug Alex die Treppen hoch und Basti freute sich uns wiederzusehen. Die Oma hatte derweil auf ihn acht gegeben.

Von da an hieß es nur noch: „Alex, nicht toben! Alex, nein Du sollst nicht rennen. Alex, denk an Deine Wunde!”

Es war als wäre nie eine OP gewesen. Er war gutgelaunt und ausgelassen. Ich gab ihm neue Videospiele, die ich extra dafür aufbewahrt hatte. So konnte ich ihn zumindest ein wenig ruhiger halten. Auch durfte der Fernseher die nächste Zeit in Dauerschleife laufen. Ich hatte Rätselblöcke und neue Brettspiele, die uns ebenfalls gut beschäftigten.

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Die Nachuntersuchung

Fünf Tage später war die Nachsorge und die Ärztin war sehr zufrieden. Nach weiteren fünf Tagen durfte Alex das erste Mal wieder duschen und jetzt sind es nur noch wenige Tage bis er wieder so viel toben darf, wie er will. Bei dem schönen Wetter derzeit, nutzen wir schon den Hof. Zwei Wochen sind rum und die dritte Woche versuche ich ihn noch etwas zu bremsen. Einzig doof ist, dass wir nun auch noch eine Erkältung haben. Aber die befindet sich schon wieder auf dem Rückzug. Besonders toll fand ich, dass meine Freundin mit ihrer Tochter da war und für den kleinen frischoperierten ein Geschenk mitbrachte. Zur Aufmunterung gabs einen großen Topf Spielschleim, der zu voller Begeisterung bei allen Kids führte.

Ich bin nur froh, dass Alex die OP so gut wegsteckte und alles so entspannt ablief. Ich fühlte mich im MVZ richtig gut betreut. Hatte ich vorher noch Sorge, weil es eine ambulante OP war, so muss ich im Nachgang sagen, dass diese völlig unbegründet war.

Damit hat Alex nun schon seine zweite OP hinter sich, die erste Leistenbruch-OP hatte er ja schon mit nur 6 Lebenswochen.