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Meine Freundin Nina hat diese Symptomübersicht von Fibromyalgie gebastelt. Bei dem Fibromyalgiesyndrom auch kurz FMS genannt, handelt es sich um ein komplexes Schmerzsyndrom. Die Schmerzen treten dabei an verschiedenen Stellen des Körpers auf. Entstehen tut der Schmerz selbst in der Muskulatur, in den Knochen und im Bindegewebe. Besondere Druckschmerzen treten besonders an den sogenannten Tender Points auf.  Jedoch ist es nicht nur eine reine Schmerzerkrankung sondern kommt mit allerlei weiteren Symptomen daher, welche den Betroffenen belasten. Insgesamt sind bisher um die 160 Symptome auffällig bei dieser Erkrankung. Ninas Grafik zeigt nur eine kleine, aber durchaus gängige Auswahl der Symptome.

Diagnosestellung

Erst 1990 wurde festgelegt, wann jemand diese Erkrankung hat. 11 der 18 Tender Points müssen auffällig sein, die Schmerzen müssen an 3 verschiedenen Körperstellen sitzen und länger als 3 Monate bestehen. Die Erkrankung ist somit noch recht “jung” in Fachkreisen und nicht alle Mediziner sind mit ihr vertraut. Als ich 1993 meine ersten echten Schmerzsymptome bekam, ging meine Mutter mit mir von Arzt zu Arzt. Wir endeten irgendwann bei einem Orthopäden, welcher dann einfach sagte: “Das ist die Pubertät, die Brüste wachsen halt und das geht auf die Brustwirbelsäule.” Damit waren wir abgespeist und ich begann damit zu leben, dass ich nun mal Dauerrückenschmerzen habe. Der Schmerz begann normal zu werden. Bei mir scheint die Fibromyalgie außerdem noch zu einer Minderung meines Immunsystems zu führen, denn schon vom Kleinkindalter an war ich anfällig für Infektionskrankheiten. In der Schulzeit bekam ich Immunstärkungstherapien in Tablettenform, so dass am Ende meine Stimme für über 1 Jahr heiser war und erst die Sprachtherapie bei einer Logopädin meine Stimme wieder zu altem Klang verhalf. Ich hatte viele Fehlzeiten in der Schulzeit, sowohl durch Schmerz als auch durch Infekte – doch kein Arzt konnte oder wollte diesem einmal auf den Grund gehen. Es war halt einfach so. Symptombehandlung statt Ursachenforschung. Aber ich mache den Ärzten keinen Vorwurf, bei einem Teenager glaubt man gern daran, dass versucht wird zu schwänzen….

2004 schraubte sich mein Schmerzpegel extrem hoch und begann in den gesamten Körper zu wandern. Eine erneute Arzttortour begann an deren Ende die Diagnose Fibromyalgie stand. Ich wurde damals sozusagen einmal komplett auf den Kopf gestellt. Internist, Rheumatologe, Plebologe, Orthopäde, Schmerztherapeut und Psychologe checkten mich komplett durch und übernahmen die Behandlungen.

Der Zustand und die Behandlung

2004 bis 2007 war bisher meine akuteste Phase der Erkrankung. Der Schmerz brannte hoch. Da es keinerlei Wissen über die Entstehung der Erkrankung gibt, gibt es auch keine kausale Therapieform. Jeder Patient mit dieser Erkrankung ist anders und bedarf somit immer einer individuellen Therapie. Ehrlich gesagt ist man als Betroffener einfach nur ein verzweifelter Spielball auf dem Feld der Therapien. Anfangs euphorisch werden einem von allen Ärzten Therapieversuche unterbreitet und da man sowieso verzweifelt ist, wird auch alles ausprobiert. Man quält sich und testet jegliche Möglichkeit aus. Es werden verschiedene Schmerztabletten und Muskelrelaxer ausprobiert und man schluckt sogar Antidepressiva in geringer Menge, da diese die Schmerzwahrnehmung verändern.  Doch irgendwann helfen die Medikamente nicht mehr. Sie verlieren an Wirkung. Sogar das Antidepressiva musste hochgeschraubt werden, bis es bei mir Panikattacken auslöste. Man hat einen Gewöhnungseffekt sobald man diese Medikation längere Zeit erhält. Bei mir kam bei einigen Medikationsversuchen auch noch eine Zunahme an Gewicht hinzu, worauf man die Medikamente wieder umstellte.

Gleichzeitig versuchte man es mit anderen Therapieformen. Krankengymnastik, Massagen, Wärme- und Kältetherapien, Lichttherapien, Traumreisen, Entspannung nach Jacobsen und und und…. Man macht Vieles mit, doch Vieles brachte auch nichts. Manchmal nahm man hier und da doch mal Kleinigkeiten mit, mit denen man sich selbst etwas Schmerzlinderung brachte. Sogar zur Reha bin ich gefahren, die jedoch meinen Zustand verschlechtere statt verbesserte. Ich fuhr innerlich ausgeglichen hin und kam damals mit einer Depression zurück.

Meist zielen die Behandlung nur auf die Symptome ab, denn die Ursachen sind ja unbekannt. Zu finden ist eine Kranheitssymptome-Übersicht bei NetDoktor.de.

Die anfängliche Euphorie der Ärzte wird mit den Monaten und Jahren immer gedämpfter bis manch einer sogar die Behandlung niederlegt und sagt “Ich kann Ihnen sowieso nicht helfen.” So geschehen bei meinem Rheumatologen. Er macht auf Wunsch noch einmal im Jahr ein Blutbild aber ansonsten lehnt er die Behandlung meiner Fibromyalgie ab, da diese nicht behandelbar ist.

Das Umfeld

Insgesamt gibt es in Deutschland um die 3,5 Millionen betroffene Menschen, die an Fibromyalgie leiden. Die Mehrzahl davon sind Frauen. Und obwohl es so viele Menschen sind, herrscht in der Allgemeinheit ziemlich wenig Ahnung von dieser Erkrankung. Das Umfeld reagiert oft mit Unverständnis, selbst die eigene Familie. Es ist keine Erkrankung, die man jemandem ansieht. Jemand ohne Beine, der sitzt halt im Rollstuhl, doch jemand mit Dauerschmerz und Erschöpfung wird schnell als arbeitsscheuer Sozialschmarotzer abgetan. Man sieht den Erkrankten halt nicht an, dass sie leiden. Mit den Jahren lernt man es zu verstecken. Man will nicht ein ewigerer Jammerer sein.

Am Anfang der Erkrankung hörte ich oft “Stell Dich nicht so an” von meiner Familie, heute hat meine Mutter die gleiche Erkrankung und auch meine Oma mütterlicherseits ist betroffen und das obwohl die Erkrankung angeblich nicht vererblich ist. Ein paar wenige Freunde wendeten sich von mir ab und meinten, dass ich nur zu faul wäre und mich auf meiner Erkrankung ausruhen würde. Einer hat Jahre später sich dafür entschuldigt, er habe damals nicht erkannt, was es wirklich mit der Erkrankung auf sich habe. Doch nützt einem das in der eh schon schlimmsten Phase nichts. Erst hatte man die Arzt-Tortour bei der selbst die Ärzte oft sagten: “Es gibt keinen Grund, das kann nicht sein. Sie können keine Schmerzen an der Stelle haben. “ und dann muss man sich noch mit unberechtigten Vorwürfen auseinandersetzen wo einem schon die Kraft fehlt den Tag zu überstehen. Viele Betroffene leiden sehr stark darunter weswegen grundsätzlich – vor allem nach Diagnosestellung – eine Therapie beim Psychologen angeraten wird. Verständlich, denn wer erfährt schon gern, dass er ein Leben lang unter Schmerzen leiden wird. Es gibt keine Heilung, es gibt nur die Möglichkeit der Linderung – wobei an dem Punkt noch niemand weiß wie diese zustanden kommen könnte. Wir erinnern uns: Es gibt keine Standardbehandlungsform. Zwar heißt es, dass ab 60. Jahren die Schmerzen geringer werden, meine Oma mütterlicherseits kann darüber mit ihren 80 Jahren jedoch nur lächeln.

Sehr oft hörte ich auch: “Nimm ab, dann hast keine Schmerzen mehr.” Darüber muss nun ich lächeln. Ich hatte meine Schmerzen schon als ich noch rank und schlank war. Erst nachdem ich erkrankt war, nahm ich auch zu. Ob es zusammenhängt, ich kann es nur vermuten. (Update: Heute weiß ich, dass ich auch am Lipödem erkrankt bin.)

Was hilft den nun?

Alles und nichts. Eine diffuse Antwort. Für Viele ist es so, dass sie je nach Schweregrad keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen können. Mit 28 Jahren wurde ich erwerbsunfähig. Seitdem habe ich die Sicherheit und die Zeit mich mit der Krankheit auseinanderzusetzen und mich nach ihr zu richten. Eine Verbesserung ist im Vergleich zu 2005 eingetreten. Doch einzig dadurch dass ich auf meinen Körper höre und ihn versuche nicht zu überfordern. Würde ich jetzt meinen alten Job wieder machen, es würde nur kurze Zeit dauern bis ich wieder in der akuten Schmerzhöchstphase wäre. Die einzige Art mit der Erkrankung umzugehen ist genau auf seinen Körper zu hören und zu versuchen herauszufinden womit man am Besten klarkommt. Ob Kälte oder Wärme eher hilft, ob und welche Medikamente man nutzt und wie man seine Muskeln am Besten entspannt. Das jedenfalls klappt bei mir. Das Ziel ist meist dass man so gut es geht ohne Medikation das Leben meistert. Zumindest weitestgehend und das der Betroffene seine Lebensfreude wiederfindet und behält.

Für diejenigen, die nicht von dieser Erkrankung betroffen sind, ist es oft schwer nachzuvollziehen wie Betroffene damit leben und welch großen Platz die Erkrankung im Leben einnimmt. Nehmt nur einmal das Bild und stellt Euch vor 5 oder mehr Symptome gleichzeitig quälen Euch zusätzlich zu den Schmerzen jeden einzelnen Tag und wie bei einem Adventskalender wisst Ihr beim Aufwachen am Morgen noch nicht, welche es an diesem Tage wieder sein werden. Und das jeden einzelnen Tag Eures Lebens.  Fies wird es wenn alle Symptome zeitgleich auftreten. Dann kriecht wohl keiner mehr aus dem Bettchen an dem Tag. Wer mal Migräne hat, mal erkältet ist oder mal eine Nacht schlecht schlief, der weiß, am nächsten Tag oder spätestens in 3 Tagen ist alles wieder gut und weg. Doch unsereins mit Fibromyalgie weiß: Das kommt wieder und wieder und wieder….. Das geht nie weg…..

Und trotzdem kann man sich so mit der Krankheit arrangieren, dass man glücklich und gut leben kann. Man kann seine Träume verwirklichen und alles in gewissem Rahmen tun, solange man auf seinen Körper achtet und die Grenzen kennt. 🙂 Seit 2005 habe ich mir Stück für Stück meine Lebensqualität zurück erkämpft. Immer wieder ausprobiert, wieviel ich meinem Körper und mir zumuten kann, gelernt worauf ich achten muss. Auch heute gelingt es mir nicht immer und schwere Schübe machen mir auch mal das Leben schwer. Aber ich kann heute wieder mehr als damals, kann meine Hände wieder in gewissem Umfang benutzen, kann wieder mehr als 200 Meter laufen und freue mich über jedes Mal bei dem ich wieder ein Stück mehr konnte und sei es auch nur an diesem einzelnen Tag. 🙂 Mein sonniges Gemüt ist mir im Umgang mit der Fibro eine große Hilfe. 🙂